Samstag, 3. März 2018

So ist das Leben einer Wanderschäferin



Während ich am Hüten war, kam zufällig Michael Schick, ein Fotograf der Frankfurter Rundschau, vorbei.
Die Herde stand weit, die Hunde machten ihre Arbeit und ich mit Hut auf meinen Stock gestützt.
Ein alter und zeitloser Anblick der in Passanten immer etwas bewegt.
So fragte mich Herr Schick ob er Bilder machen dürfe.
Natürlich, gerne.
Drei Stunden später verabschiedete er sich mit dem zufriedenen Ausdruck von einem, der einer Schafherde beim Fressen zugucken durfte.
Am 02.02.2018 erschien dann ein Bild mit kurzem Kommentar in der Frankfurter Rundschau, darauf mein Altdeutscher Hütehund Lillebror an den Schafen.


Nicht lange darauf bekam ich über facebook eine Anfrage von Muriel Frank. Für die Frankfurter Neue Presse beziehungsweise das Höchster Kreisblatt wollte sie eine Geschichte und ein Video-Porträt über mich machen.
Dem stimmte ich, nach Absprache mit meinem Auftraggeber, gerne zu.
Mir ist es wichtig Schäferei und Schäfer im öffentlichen Sinn zu halten.
Und ja, es macht mir auch Spaß.
So wurde ein Termin für Donnerstag, den 22.02.2018 um 10/10.30 Uhr gemacht.
Als Treffpunkt würde ich einen google maps Punkt senden.
Ja, wo genau stand bis zum Tag vorher noch gar nicht fest. Bei Terminabsprache wusste ich noch nicht einmal, ob wir bis dahin die Herde nicht aufgestallt hätten, den Beitrag im Stall drehen müssten.
Doch Wetter und Futter spielten mit und als ich Mittwoch den Nachtpferch zur neuen Fläche fuhr konnte ich auch den Treffpunkt für den nächsten Tag senden.
Alles nach Plan.

Der Donnerstag klart mit eisigen Minustemperaturen und herrlicher Sonne.
Es haben zwei Schafe gelammt. Zwei runde kleine Lämmer deren Mütter fürsorglich Nähe halten.
Die Herde steht zufrieden, ist noch nicht am drängeln und ich schlage erst einmal den Nachtpferch um.
Auch wenn alles wie am Schnürchen läuft, bin ich jetzt schon etwas aufgeregt.
Wie würde es mit Lillebror werden?
Würde mein nun zweijähriger Altdeutscher Rüde ausnutzen, dass ich abgelenkt und unkonzentriert sein würde? Würde er irgendwelchen Quatsch machen?
Und ich? Würde ich dauernd ääh sagen? Oder irgendeinen Unsinn erzählen?
Genug gegrübelt. Als der Pferch fast fertig ist, kommen sie auch schon. Muriel Frank und Fotograf / Kameramann Markus Künzel, warm eingepackt und sofort angetan von den Schafen, die sie neugierig inspizieren.
Während die beiden ihr Equipment richten, baue ich den Zaun zu Ende. Die Schafe stehen brav auf ihrem alten Pferchpatz, während Ylva und Lille die abgebauten Zäune ersetzen.
Als erstes soll das Gespräch stattfinden. Das kommt mir gut zu Pass, bin ich doch nachher am Hüten und kann nicht voll bei der Sache sein.
Das Interview beginnt und ich brauche einen Moment, um umzusetzen, dass man später die Fragestellerin nicht hören wird und ich deshalb die Frage in meine Antwort einbauen muss. Doch dann plaudere ich frei von der Leber weg und beantworte fröhlich und ehrlich alles. (Heute bin ich froh, dass nicht alles persönliche auch im Video ist 😉.
Auch nicht in den Beitrag geschafft, hat es der Hinweiß auf die Demonstration zur Rettung der Schafhaltung am 13. März 2018. Hier der link dazu: Demo zur Weidetierpraemie am 13. März 2018 )
Die Schafe warten derweil friedlich ab. Nur Lille ist sichtlich unruhig auf seiner Grenze, will gerne zu mir kommen und quietschend rumdrängeln, damit es doch nun endlich los geht. Doch lässt er sich gut zur Ordnung rufen.
Ist er begeistert, als ich das Signal zum Aufbruch gebe!
Wir müssen ein kurzes Stück auf neues Futter ziehen, die Schafe folgen mir brav und ich lasse die Hunde nicht laufen, zu aufgezwiebelt sind sie.
Endlich auf frischem Gras verteilt sich die Herde zum Fressen. Das Stück ist ein langes Tal, auf der einen Seite Wald, auf der anderen ein Feldweg. Die eine Richtung ist offen und in die andere ein Graben mit dahinter wieder frischem Futter.
Ylva lasse ich auf dem Weg laufen und Lille hält vorne mit mir die Front zum frischen Futter.
Muriel Frank stellt weiter Fragen und Markus Künzel filmt und fotografiert.
Und Lille?
Was hatte ich mir Sorgen gemacht.
Aber was tut er?
Er hält selbständig die freie Grenze zum frischen Futter. Als die Herde dann kippt, auf der anderen Seite über den Graben drücken will, wechselt er über Ylvas Weggrenze auf die Außenseite, wehrt hinter dem Graben.
Ohne dass ich irgendetwas zu ihm sage, übernimmt er die Aufsicht über das ganze Gehüt. Ja, er schneidet etwas die Ecken ab, läuft keine exakt rechten Winkel beim Seitenwechsel, aber er pendelt immer da, wo es nötig ist, hat alles im Blick, setzt seine Grenzen durch ohne Schafe wuschig zu machen.
Ich beobachte das tief beeindruckt, nehme mir vor, meinem Hund in Zukunft mehr Freiheit zu lassen.
Einmal drückt eine kleine Blase von Schafen am Wald entlang weiter auf frisches Futter. Lille hat sie bisher gewähren lassen. Markus Künzel fragt, ob ich Lille da nicht mal hin schicken könnte.
„Kann ich machen, aber dann knallts.“
Ja, ich solle es bitte.
Also, leise: „Lille!“
-Was? Wo? Yeepy!
Und Lille räumt ziemlich altdeutsch mit der Blase auf. Natürlich kommt das dann auch ins Video.
Der vermutlich mehr Aktion gewohnte Kameramann meint, dass er nun ziemlich viele Schafsbilder hat, was es nun noch zu filmen gäbe?
Naja, ich könnte einem Tier die Klauen schneiden.
Gute Idee, und da ist doch eine die hinkt.
Die Herde steht fressend im weiten Gehüt und ich habe die Hinkerin im Augenwinkel.
So nahe die Schafe Dich lassen, so gerne sie kommen und an Dir rum nutzeln, wissen sie, dass Du sie fangen willst, bekommst Du sie nur, wenn die Herde eng steht, andere Schafe den Fluchtweg blockieren. Also schlendere ich unauffällig in der Nähe der Hinkerin, gucke bloß nicht zu ihr.
Oh, und versuche nicht zu nervös zu sein ob des filmenden Publikum.
Und da ist der Moment, ich bin nahe genug, mit dem Fanghaken meiner Schäferschippe hake ich das Hinterbein ein. Hab sie!! Auf den Hintern gesetzt und das Klauenmesser gezückt. Der Hinkefuß ist deutlich wärmer als die anderen, das Zeichen einer Entzündung. Nach vorsichtigem Abtragen kommt auch schon Eiter, da war wohl ein Dorn gesessen. Ich schneide das vereiterte, tote Horn weg und sprühe Blauspray zur Desinfektion auf. Nun bekommt das Schaf noch eine rote Markierung auf den Kopf, damit man weiß, dass sie behandelt ist und sie darf wieder laufen. Wunderbar, dass hätte doch besser nicht klappen können. Erleichterung.
Auch meine beiden Besucher sind beglückt. Mehr Aktion, außer das ich noch eine heiße Tasse Tee trinke, kann ich nicht bieten. Und doch haben beide Zufriedenheit in ihren Gesichtern, als sie sich nach vier Stunden verabschieden. Etwas die absolute Ruhe und den Einklang einer zufrieden fressenden Schafherde genossen.
Sie machen noch ein paar Aufnahmen der Mütter mit ihren Lämmchen, die brav am Pferch stehen geblieben sind, um später in den Stall gefahren zu werden.
Ich ziehe mit der Herde weiter zum nächsten frischen Stück, die Schafe grasen, die Hunde pendeln, die Sonne scheint. Perfekt.
Meinen Dank nochmal an Muriel und Markus für den wirklich gelungenen Beitrag über mein Leben als Schäferin.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen